Lonelytrack - Rad around the world
  1. 2009:   Chile, Bolivien, Peru
  2. 2007:   Nicaragua, Costa Rica, Panama
  3. 2001:   Argentinien, Chile, Uruguay
  4. 1997:    Chile, Bolivien, Argentinien





1.    2009 Südamerika: Chile, Bolivien, Peru

"Anden, Atacama, Altiplano"

Radabenteuer über dem Altiplano zum Titicacasee

Von Andreas Wever
veröffentlicht in Zeitungen

Regen prasselt gegen die Scheiben. Endlose Häuserfassaden ziehen an uns vorüber. Schicke koloniale Architektur, moderne Bürotürme, dann nur noch schmucklose graue Wohnsilos und Fabrikhallen. Wechselhaftes “Aprilwetter” hat Santiago im Griff. Im Bauch des Überlandbusses befinden sich unsere Räder und Ausrüstung. In unseren Bäuchen dagegen ein Kribbeln, Abenteuerlust steigt in uns auf – und wachsende Ungeduld. Nach dem langen Transatlantikflug liegen noch rund 1500 Straßenkilometer bis Antofagasta, unserem Ausgangspunkt für unser Radabenteuer vor uns. Mit unseren Rädern wollen wir Südamerikas gewaltigstes Hochplateau, das Altiplano erobern. Es erstreckt sich über Teile Chiles, Boliviens und Perus. Wir lassen die Hauptstadt endlich hinter uns, die Nacht bricht herein, das monotone Brummen des Motors lässt uns in einen tiefen Schlaf sinken.

Gegen Mittag befinden wir uns in einer anderen Welt. Dicht drängen sich die Häuserschluchten zwischen dem glitzernden Pazifischen Ozean und steil aufragenden, ockerfarbenen Wüstenbergen. Als wichtiger Etappenort fiebert Antofagasta bereits der Dakar-Rally entgegen. Nach ein paar Besorgungen sind wir startklar! „Vamos!“

Ohne Schonfrist geht es gleich ins Gebirge. Unsere Route führt mitten durch eine der menschenfeindlichsten Regionen der Erde. Erbarmungslos brät die Sonne unsere Schädel.

In Baquedano finden wir Unterschlupf in einem einfachen Arbeiterhotel. Kürzlich geriet dieses verschlafene Minenstädtchen fast in den Fokus der Weltöffentlichkeit, als der ansässige Bürgermeister einen unerbittlichen Kampf gegen James Bond und Gefolge führte. Dass sein Ort für „Ein Quantum Trost“ als Kulisse für ein bolivianischen Wüstenort herhalten sollte, brachte den patriotischen Ortsvorsteher außer Rand und Band. Jedes Haus ließ er chilenisch beflaggen und sabotierte mit einer formierten Bürgerwehr die Dreharbeiten – bis die Polizei mit Wasserwerfern anrückte. Inmitten dutzender Minenarbeiter, die schmatzend in ihren Suppen löffeln, überrascht mich Astrid zu meinem Geburtstag mit einem praktischen Reisekaffeebereiter und dem Montagskicker meines Jahrgangs und Geburtswoche.

Die Gegend ist einsam. Außer Minenarbeitern will hier kaum jemand leben. Wir erreichen Calama – eine große Minenstadt mitten im Nirgendwo. Staunend stehen wir am Rand des weltgrößten Tagebaus. „Monstertrucks“ bringen kostbares Kupfer nach oben – 24 Stunden am Tag! Vier Millionen Dollar kostet so ein Laster! Laster haben hier auch das Nachtleben im Grifft. Unzählige Bars und Kneipen , dazu „leichte Mädels“ an jeder Ecke verleihen hier dem Nachtleben einen sehr eigenen Charme.

Wir strampeln schnurstracks in den Glutofen Atacama. Die Luft flimmert und lässt Berge am Horizont schweben. Auf einer Höhe erbietet sich uns ein atemberaubendes Panorama. Hügelketten, geformt wie gotische Kathedralen oder schlafende Dinosaurier. Nach rasanter Abfahrt erreichen wir San Pedro de Atacama. Um diesen Ort liegen Nordchiles spektakulärste Naturwunder verstreut. Zuerst das Valle de Luna! Verschlungene Höhlen durch kristallisiertes Gipsgestein wecken unsere Entdeckerherzen. Zum Sonnenuntergang kraxeln wir auf eine hohe Düne und bewundern das Farbenspektakel. Bizarre Felsformationen erleuchten in unwirklichen Rottönen. Auch wenn ich noch nicht dort war – so stelle ich mir den Mars vor!
Den Sonnenaufgang erleben wir in klirrender Kälte inmitten eines gigantischen brodelnden Dampfkessels. Die „El Tatio Geysire“. Es zischt, blubbert, dampft und kocht. Fauchend spuckt die Erde ihre heißen Fontänen in den eisigen Himmel.
 
Wir bepacken unsere Räder mit Proviant. Die Versorgungslage bis zur Grenze ist ungewiss. Unsere Piste führt durch eine bizarre Mondlandschaft. Oft verbringen wir die Nächte ohne Zelt unter freien Himmel und erreichen auf einer stürmischen Hochebene den staubigen Grenzort Ollague. Unsere vorerst letzte Nacht in Chile verbringen wir in einer spartanischen Unterkunft. Gegen Abend trifft hier, zur Freude Astrids, eine Gruppe Geologen ein. Die Anfangs steife Fachsimpelei mündet schnell in einen feuchtfröhlichen und sehr unterhaltsamen Abend. Meine Freundin ist vollkommen in ihrem Element. Auch ich als Laie entdecke hier meinen Spaß an der Wissenschaft.

Wir stehen auf bolivianischem Boden. Indianische Frauen mit dicken Röcken und kleinen Hüten bieten selbstgemachte Leckereien an. Gestärkt radeln wir in die falsche Richtung. Die Sonne steht nicht da, wo sie sein sollte. Schilder gibt es nicht und unsere Straßenkarte ist so miserabel wie der Straßenzustand. Niemand da, um nach dem Weg fragen zu können. Unsere Vorräte, vor allem das Wasser, gehen unaufhaltsam zur Neige. Endlich ein Dorf! Zu unserem Entsetzen sind es nur verlassene Ruinen. Wir rationieren unser Wasser, kein Tropfen wird vergeudet. Am dritten (!) Tag nach Grenzübertritt dann endlich unsere Rettung - San Juan de Rosario! Wie Kinder im Spielzeugland wandern unsere großen Augen durch die Regale des kleinen Tante Emma-Ladens. Obst, Marmelade, Käse, Brot und vor allem Getränke – alles was das ausgemergelte Radlerherz jetzt dringend begehrt.

Vor uns glitzert grell der größte und höchste Salzsee auf Erden – der Salar de Uyuni! 12.000 Quadratkilometer endloses Weiß. Geschmeidig gleiten wir mit unseren Rädern über die platte Oberfläche, die eher an einen zugefrorenen See erinnert, auf einen kleinen Punkt am Horizont zu. Ein brauner Hügel ragt aus dem endlosen Weiß – die „Isla Incauasi“ Andächtig erleben wir von seiner Höhe inmitten hunderter meterhoher Kakteen das bezaubernde Szenario der untergehenden Sonne.

Radeln in Bolivien – eines der letzten Abenteuer Südamerikas!
Das Wetter und versandete Pisten machen uns das Leben schwer. Fast täglich entladen sich heftige Gewitter mit Hagelschauern. Sturmböen und selbst kleine Tornados peitschen uns von den Rädern. Plötzlich Teer unter uns. Fassungslos vor Glück küssen wir den Asphalt. Wir passieren nun häufiger Dörfer. Unsere Orientierung bessert sich dadurch nur unwesentlich. Bolivien steckt inmitten des Wahlkampfs. Der amtierende Präsident Evo Morales kämpft um jede Stimme und lässt seine Trupps jedes Schild mit seinem Konterfei zukleistern. Das ist noch harmlos, denn oft tünchen sie ganze Häuserfassaden in seine Parteifarben. Man stelle sich das bei uns vor….
Ausgezehrt ordern wir Suppe in einem Straßenrestaurant. Beherzt stecke ich meinen Löffel in die kräftige Brühe und befördere einen Hühnerfuß ans Tageslicht. Während sich in meinem Gesicht, zur Belustigung der Gäste an den Nachbartischen, blankes Entsetzen abzeichnet, fischt ihn Astrid flink aus meinem Teller und beglückt einen Straßenköter.

                                                                  

1. Wo gehts lang? - Mit schlechten Karten übers schilderlose Altiplano; 2. Grell-Weiß-Salzig -bis zum Horizont in jeder Richtung -Salar de Uyuni in Bolivien

Vor uns einer der spektakulärsten Ausblicke Boliviens: Umrahmt von schneebedeckten Gipfeln das dichtgedrängte Häusermeer von La Paz in einem Talkessel auf 3600 m Höhe! Beschwingt sausen wir die Serpentinen hinab ins Herz des quirligen Regierungssitzes. Nein, dieser Ort ist kein Luftkurort. Mensch und Blech wühlt sich chaotisch durch die engen Straßen, die entweder rauf oder runter gehen. Ampeln dienen offenbar nur zur Dekoration, Verkehrspolizisten als Statisten.

Ansonsten gleicht diese Stadt einem riesigen Freiluftmarkt. In den Gassen wimmelt es von Marktständen. Dahinter Indiofrauen mit bunten Ponchos und ein Bündel Kind am Rücken. Ein unglaubliches Sammelsurium. Unsere Augen wandern über chinesischen Billigkram, Kräuter und Kokablätter, Lamaföten (als Opfergabe) und Gemüse.

Wir stehen am Ufer des berühmten Titicacasees! Vor der Andenkette an der Ostseite türmen sich drohend Gewitterwolken.
Eine Enge trennt hier zwei Halbinseln. Als wir mit einer klapprigen Fähre übersetzen, prasseln dicke Graupelschauer nieder. Nach dem Anlegen flüchten wir sofort in eine Halle. Hinter aufgereihten Garküchen sitzen alte Frauen die, sobald ich den Fuß in den Saal setze, beginnen zu gurren. Drei Dutzend Frauen gurren! Erschreckt und völlig verunsichert schaue ich mich hilfesuchend nach meiner Partnerin um. Sie identifiziert das Wort Trucha für Regenbogenforelle. Diese hiesige Spezialität wird in zahllosen Varianten, mit Tomaten, Käse, Zwiebeln usw. angeboten.
Wir unternehmen ein Bootsausflug zur „Isla del Sol“. Für die Inkas soll hier der Geburtsort der Sonne gewesen sein. Und tatsächlich: Nachdem wir über die Hügel des Eilandes wandern, durchbricht die Sonne die Wolkendecke und lässt den Titicaca wundervoll silbrig glänzen. Von hier oben nehmen wir jetzt erst richtig die gigantischen Ausmaße dieses Hochlandsees wahr.
 

In der Ferne taucht die unverkennbare Silhouette des höchsten Berges Boliviens auf, dem Sajama. Eine mächtige Eiskappe ziert sein Haupt wie Zuckerguss. Mit 6542 m ist er auch einer der höchsten Vulkane der Welt. Wir campieren in seinem Schatten und genießen mit Rotwein den Sonnenuntergang. In unsere Romantik platzt ein zotteliges Wesen, das der Muppetsshow entsprungen sein könnte. Wir taufen den Hirtenhund „Waldi“, der sich sofort freudig über unsere Essensreste hermacht und sich neben unser Zelt nieder lässt.
Welch majestätischer Anblick in der Morgensonne! Vor dem Vulkan weidet eine Gruppe Vicunas. Waldi knurrt. Hastig schraube ich das Zoom auf meine Kamera für das beste Naturfoto unserer Reise. Zu spät, Waldi jagt mein Motiv in die Weiten der Prärie. Ich bin sprachlos. Waldi kehrt mit stolz geschwellter Brust zurück. In meinen Augen flackert Hundegulasch.

     
1. Majestätischer Sajama; 2. frecher Wauzi;  3 Alpacas wechseln die Seite



Altiplano-Landschaft wie aus dem Bilderbuch! Leuchtendes Steppengrass, mächtige kegelförmige Vulkane und Salzseen. Wir sind wieder zurück in Chile. Über endlose Serpentinen sausen wir hinab zum Pazifik und weiter an seiner wild zerklüfteten Küste entlang. Ein verblichener Aufkleber auf der Vitrine eines Straßenkiosk in einem einsamen Fischerdorf versetzt mich in helle Aufregung. Ich traue meinen Augen nicht. Während ich Cola und Kekse ordere lese ich Ski & Freizeit Betzdorf e.V! „Mi, mi mi, Betzdorf, Betzdorfo !!!“ brüll ich in den Stand und klopf mir auf die Brust. Irritiert glotzen mich Verkäuferin und auch Astrid an, als sei ich nicht ganz bei Trost. Der Thekenkraft geht ein Licht auf und kramt ein verstaubtes Gästebuch hervor. Siehe da! Ein Eintrag vom 25.10.1997 liefert den endgültigen Beweis. Andi Wever war hier und hat sich für Cola und Kekse bedankt – auf dem Weg nach Feuerland. Nie im Leben hätte ich mich an diese Bude erinnert!!
 
Unsere letzten Tage verbringen wir in Valparaiso. Auf uns wirkt die Hafenstadt, als hätte man einen Eimer bunter Bauklötze über einen Hang ausgeschüttet. Sofort verspüren wir den einmaligen Charme dieses Ortes, der jeden Besucher sofort gefangen nimmt. Raue Hafenarbeiter treffen auf avantgardistische Künstler, rostige Lagerhallen verschmelzen mit feudalen Prachtbauten. Anarchistischer Kiez mit noblen Villen. Drumherum kleben kunterbunte Häuser an den steilen Berghängen. Wir erforschen die Ecken und Winkel dieser Stadt, steile Treppen rauf und runter. Wenn man will, ersparen altmodische Standseilbahnen die Mühsal. Wir schlendern durch einen höher gelegenen Stadtteil als ich schnelle Schritte hinter mir vernehme. Zu spät. Unsanft werde ich zu Boden gestoßen. Ein Straßenräuber reißt an meiner Fototasche, die ich allerdings festhalte wie ein Hund seinen Knochen. In dieser Lage komme ich nicht richtig auf die Beine. Schon springt Astrid ihm wie ein Tiger an die Gurgel und landet dabei ebenfalls unsanft auf dem Asphalt. Der Dieb lässt jedoch ab und flüchtet. Wütend nehme ich die Verfolgung auf, drehe jedoch nach hundert Metern wieder ab um nach meiner Heldin zu schauen. Ist ja noch mal alles gut gegangen.
Wir besuchen die Nachbarstadt Vina del Mar. Entlang des beliebten Sandstrandes reihen sich schmucke Hotels, während auf den Hügeln am Rande von ärmeren Schichten bevölkert wird. Inmitten eines solchen Viertels stehen wir staunend vor einem gelben Haus. Kinder toben ausgelassen auf einer Hüpfburg im Garten. Hier wird heute gefeiert. Es ist eine Musikschule. Mit viel Fleiß und Engagement schufen die aus Betzdorf stammende Michaela Weyand und ihr Mann, der Musiker Eduardo Cisternas dieses Haus. Vielen Kindern und Jugendlichen bietet es eine einmalige Chance für ihre Zukunft.

     

Wiedersehen I in Chile - 1. Fast unglaublich , zufälliges Wiedersehen an einem Kiosk irgendwo an der Küste; 2. der Hafen von Valparaiso; 3. Wiedersehen II in Valparaiso - der "Betzdorfer Stammtisch"

Zurück in Santiago. Die Hauptstadt ächzt unter hochsommerlichen Temperaturen. Menschenmassen drängen sich durch die Fußgängerzonen, Weihnachten steht vor der Tür. Wir sagen Adios. Unser Flieger bringt uns ins verschneite Deutschland.




2.    2007 Mittelamerika: Nicaragua, Costa Rica, Panama

"PURA VIDA"

Radabenteuer zwischen Traumstränden und Vulkanen

Von Andreas Wever
veröffentlicht in Zeitungen

Pura Vida steht in Mittelamerika für pure Lebensfreude und Gastfreundschaft. Davon bekam der Betzdorfer Reiseradler, Andreas Wever, jede Menge zu spüren bei seiner aktuellsten Tour durch drei überaus abwechslungsreiche Länder zwischen den beiden großen Weltmeeren.


Tief unter mir schimmert türkises Blau in der aufgehenden Sonne – die Karibik! Das Klappern des Geschirrwagens einer Flugbegleiterin reißt mich soeben aus allen Träumen. Zur Rechten meine dösende Partnerin – Astrid. Sie wird die ersten Wochen an meiner Seite sein. Im Sinkflug schweben wir über das üppige Grün Costa Ricas und rollen bald über die Landebahn des Juan Santamaria International Airport.
Zwei Tage verbringen wir in der gemütlichen Pension eines deutschen Auswanderpärchens am Rande der zweitgrößten Stadt Alajuela im Zentralen Hochland. Die Räder sind startklar - Aufbruchstimmung am Frühstückstisch. Verdutzt blicke ich in eine schlumpfblaue Geburtstagstorte. Dahinter grinst Astrid über beide Ohren. Wo hat sie die wohl hergezaubert? Mit vollen Bäuchen und Radtaschen quälen wir uns über steile Anstiege bis zum Fuße des Vulkan Poas. Erschöpft finden wir am Abend eine Bleibe in einem kleinen Kaffeehaus. Deren Bewohner und Gäste halten uns jedoch mit einer stimmungsvollen Geburtstagparty (für mich) auf Trab.
Hier an den Hängen des dampfenden Kraterersees gedeihen die besten Kaffeebohnen des Landes. Enttäuscht blicken wir am Morgen in eine undurchdringliche Nebelsuppe auf 2700 m Höhe. Nur beißender Schwefelgeruch lässt uns erahnen, am Rand eines Vulkans zu stehen.
Endlich die Früchte unseres strapaziösen Anstiegs ernten! Wir sausen die kühlen Höhen hinab in die tropischen Ebenen des Westens. Regenwälder oder Bananenplantagen säumen unseren Weg, bis wir bald über paradiesische Karibikstrände umhertollen.




    


    

1. Flopp I - Blick in eine Nebelsuppe statt des spektakülären Kratersees Poas; 2. Entschädigung am paradiesischen Karibikstrand; 2. Flopp II  auch der Arenal ist benebelt; Entschädigung bringt eine erfrischende Dschungeldusche; Entschädigung überall - Frisches Obst am Straßenrand

Zurück im Bergland. Auch der Arenal, einer der aktivsten Vulkane der Welt, verbirgt seine gewaltige Silhouette unter einem Mantel aus Wolken und Nebel. Statt das Mistwetter in unserer Herberge abzusitzen, wandern wir durch Regenwald zu einem donnernden Wasserfall und springen tapfer in die Fluten des schäumenden Flusses. Ausläufer eines Tropensturms nehmen uns bei der Weiterfahrt entlang des Arenalsees gehörig in die Mangel.
Unter sonnigem Himmel folgen wir der berühmten Panamericana bis nach Nicaragua. In dem chaotischem Durcheinander zwischen den Schlagbäumen lassen wir gegenseitig unsere Räder nicht aus den Augen. Entlang des riesigen Nicaragua Sees eröffnen sich oft grandiose Ausblicke auf die Insel Ometepe mit ihren beiden weithin sichtbaren Zwillingsvulkanen. Noch am Abend steuern wir sie mit einer Fähre an. ( Die bezaubernde Landschaft der Insel entdecken wir diesmal aus den Sätteln zweier wenig temperamentvollen Pferden.)
Über das quirlige Granada mit seiner frisch herausgeputzten Kolonialarchitektur erreichen wir das Bergland und stoßen auf ein sehr liebenswürdiges Volk. Ausgelaugt nach einem windigen Tag über die Hochebenen spähen wir vergeblich in einem Dorf nach einem Schlafplatz. Eine Familie, die mit mehreren Generationen einfache Backsteinhäuser bewohnt, lässt uns im Schutze ihres Innenhofes zelten. Sie bringen uns Stühle und warmes Essen. Zusammen sitzen wir bis spät in die Nacht am Feuer. Gerührt von dieser unerwarteten Warmherzigkeit unserer Gastgeber verabschieden wir uns am nächsten Morgen mit kleinen Geschenken und großen Umarmungen.

     
1. Vor der Kathedrale in Granada; 2. Crosscountry in Nicaragua; 3. Streetlife in den Städten Mittelamerikas


„Dingdingdingding…es ist 7 Uhr 30…alle Mann in die Wagenhallen!“ Wildes Poltern und ein Stimmengewirr im vertrauten Dialekt auf den Gängen unseres einfachen Hotels in der Bergstadt Matagalpa reißt mich aus meinem Tiefschlaf. „Wo bin ich??!“ Verpennt stolpere ich zur Rezeption um mir ein dort immer bereitstehenden Kaffee zu schnappen und platze in die Runde einer Siebenköpfigen Feuerwehrschar aus Wuppertal, die hier zwei ihrer ausgemusterten und hierher verschifften Gerätewagen feierlich der hiesigen Feuerwehr übergibt.
Wir verlassen die Berge und erreichen Leon. Steinalt wie Granada bröckelt diese ehemalige Hauptstadt jedoch etwas vor sich hin. Alte Kathedralen und Kolonialbauten verleihen der Stadt, umringt und bedroht von mehreren hochaktiven Vulkanen, dennoch jede Menge Charme.
Mit einem Guide der Quetzal-Trekkers, einer vor Jahren in Guatemala ins Leben gerufene Organisation, die ihre Erlöse an Straßenkinder abgibt, machen wir uns auf dem Weg zum Vulkan Telica. Zu fünft mit Rucksäcken beladen bahnen wir uns in der Mittagshitze unseren Weg durch dichtes Dschungelgestrüpp nach oben. Schweiß läuft uns Eimerweise Stirn und Rücken herunter. Doch Stunden später werden wir mit einem phantastischen Ausblick auf den imposanten Krater belohnt. Auf einer Bergwiese schlagen wir unsere Zelte auf und stürmen beschwingt über steiles Lavageröll zum Kraterrand. Geschockt und fasziniert zugleich starre ich, überhang stehend, in einen mörderischen Abgrund. Etwa 100 m unter mir brodelt rotglühende Lava – es ist wie ein Blick in das Innerste unserer Erde .Astrid, als Geologin voll und ganz in ihrem Element, zerlöchern wir mit unzähligen Fragen. Der Sonnenuntergang über den fernen Pazifik beschert uns hier oben ein unvergessliches Farbenspektakel. Glückselig beschließen wir den Tag um unser Lagerfeuer.

     









   


1. Tanz auf dem Vulkan - unsere Multi-Kulti-Truppe auf dem aktiven Telica; 2. Eine Geologin im Schlaraffenland - Astrid hat das Jagdfieber nach Mineralien gepackt




Sonnenuntergang vom Kraterrand - Ausblicke bis zum fernen Pazifik

Astrids Reisezeit neigt sich dem Ende zu. Zurück in Alajuela heißt es Abschied nehmen von einer unverwüstlichen Mitstreiterin und einer tollen gemeinsamen Zeit. Für mich geht’s jetzt nach Panama!

Schon zwei Tage später strample ich aufwärts zum höchsten Punkt (!) der gesamten Panamerikana, von Alaska bis Feuerland, dem Pass des Cerro del la Muerte – der „Todesberg“ auf über 3300 Meter Höhe! Damals sind hier die Ochsenkarren abgestürzt, heute kriegt manch ein Lastwagen die Kurve nicht mehr. Die Radtour wird zur Tortour. Mit jedem Höhenmeter fällt die Temperatur und leichtes Nieseln erwächst zum heftigen Dauerregen. Tonnenschwere Trucks donnern wenige Zentimeter an mir vorbei, mir wird es mehr als mulmig. Nach einer kühlen Nacht in einer Holzhütte überquere ich am nächsten Morgen die windzerzauste Passhöhe. Heftige Sturmböen treiben mich an den Rand des Wahnsinns. Dann rolle ich lange über kurvige Serpentinen abwärts ins sonnige San Isidro und gönne mir eine leckere Hühnersuppe. Köstlich wie überall in Costa Rica wird sie serviert im Literformat. Einsame Pazifikstrände wechseln auf meinen weiteren Etappen mit dichtem Urwald.
Dann endlich: Panama!
Welch ein geselliges Volk! Oft zu Pferde und fast immer mit Hüten auf ihren Köpfen erwecke ich bei Begegnungen meist ihre Neugier die schnell in ein Schwätzchen mündet. Über einige Umwege abseits der Panamerikana in reizvolle Bergregionen und in die Wildnis abgeschiedener Halbinseln erkenne ich bald in der Ferne das Funkeln einer irre großen Stahlkonstruktion – Die „Puente de las Americas“ - die Brücke über die wichtigste Abkürzung der Welt, dem Panama- Kanal! Euphorisch trete ich in die Pedalen, Vamos...Panama-City…ich komme!!! „Stop!“ Im letzten Moment springt mir ein Polizist vors Rad „Überquerung mit dem Rad nicht erlaubt!“ kläfft er mir ins Ohr. Damit diesem triumphalen Moment nach rund 3000 Tausend erstrampelten Radkilometern beraubt, füge ich mich der Anordnung dieser uniformierten und vor allem bewaffneten Spaßbremse. Zwecks Überfahrt stoppe ich einen Kleinlaster.

      

1. Endlich - Panamaaa!; 2. Nee, den Satz"Oh wie schön ist Panama" schreib ich hier bestimmt NICHT !; 3. Nanu...Verwandschaft?!



 Noch in der Nacht stehe ich staunend vor der imposanten Wolkenkratzerkulisse. Doch richtig zum Entzücken bringen mich Streifzüge durch die koloniale Altstadt der Metropole. Selbstverständlich nehme ich auch etwas von der gut 80 km langen Kanal-Passage, die zwei Weltmeere miteinander verbindet, in Augenschein. Von einer Besucherterrasse werde ich Zeuge, wie ein monströses Containerschiff seinen Bauch durch die Schleusen zwängt. Es geht hier um Zentimeter!   

   
    
1. Hellau und Alaaf - Angekommen an der wichtigsten Abkürzung der Welt - am Panamakanal; 2. Bombastische Skyline von Panama-City; 3. Der fette Bauch eines Autotransporter zwängt sich durch die Miraflor-Schleusen

Mitten in der Nacht bollert mich meine Herbergsmutter aus den Federn. Verschlafen schnappe ich mir mein kleinen Rucksack und werde von ihr zum kleinen nationalen Flughafen gebracht. Als Weihnachtsgeschenk für mich selbst gedacht, gönne ich mir einen Besuch des San Blas Archipels in der Karibik. Hunderte kleine Inseln und Inselchen erstrecken sich in unmittelbarer Festlandsnähe bis fast nach Kolumbien. Einige dieser Eilande sowie den Dschungel der Küstenregion bewohnen die Kuna- Indianer. Einmalig in Amerika strotzten sie der Zentralregierung weitgehende Autonomie ab. Meine erfahrene Wirtin riet mir energisch ab, dort hin per Rad zu gelangen. Nach einem Regenguss wird die Piste selbst für Panzer unpassierbar. Also zwänge ich mich in eine Propellermaschine und werde nach einer knappen Flugstunde auf dem holprigen Flugfeld einer winzigen Insel ausgespuckt. Mit einem schmalen Fischerboot gleite ich durch die Wellen zum eigentlichen Ziel – Isla Tigre – das Herz des Kuna Reiches. Hier wird die traditionelle Lebensart der Indianer am intensivsten gepflegt. Für einige Tage tauche ich ein in eine fremde Welt wie aus dem Bilderbuch. Es ist zum Weinen schön. Weiße Sandstrände mit sich im Wind wiegenden Kokospalmen, unberührte Korallenriffe mit kunterbunten Tropenfischen uns das alles unter strahlendem Sonnenschein! Frauen tragen zu ihren farbenfrohen und reich verzierten Gewändern obligatorisch einen goldenen Nasenring. Kinder lassen ausgelassen Drachen in der Seebrise aufsteigen. Als Unterkunft dient mir hier eine einfache Bambushütte unter Palmen. Es gibt kein Strom. Eine Familie aus dem Dorf lädt mich zum „Mensch ärgere dich nicht“- Spiel ein - ihre abendliche Lieblingsbeschäftigung. Den Kindern repariere ich die Räder und werde sogleich von ihren älteren Brüdern zu einer Bootstour für den nächsten Tag eingeladen. In der Frühe brechen wir auf zu einigen unbewohnten Inseln. Wie Robinson fühle ich mich inmitten dieser kleinen Paradiese. Wir Schnorcheln durch sonnendurchflutete Korallenriffe – Nein, selbst Fliegen kann nicht schöner sein. Mit nur wenigen Sachen bin ich hergekommen in die Welt der Kunas. Doch eigentlich benötigt man hier nur all seine Sinne – und davon reichlich!

     


1. Mein Haus...  2.  mein Pool ..3. ...mein Boot....






.....4. mein Schnorchelteam! -traumhafte Zeit bei den Kuna Yala Indianern am San Blas Archipel in der Karibik


Mit dem Überlandbus kehre ich zurück nach Costa Rica. Durch das Fenster im klimatisiertem Bus fliegen im Zeitraffer rückwärts etliche Stationen meiner mühevollen Hinfahrt vorbei. Leichte Wehmut kommt auf.
Tausende Meter über dem Atlantik werde ich wach. Der Flugkapitän wünscht allen Frohe Weihnacht. Es geht zurück in die, zumindest diesem Zeitpunkt, winterliche Heimat. Mit dabei: Viele Tüten Kaffeebohnen und eine Erinnerung an eine tolle Zeit in drei herzerfrischenden Ländern – PURA VIDA!





3.    2001 Südamerika: Argentinien, Chile , Uruguay

"Durch das Land der Stürme"

4500 km durch Patagonien


Von Andreas Wever
veröffentlicht in Zeitungen

Etliche Stunden sitze ich nun schon im Flugzeug. Es ist Ende September. Spätsommer in Deutschland und beginnender Frühling dort, wo ich die nächsten drei Monate verbringen werde. Irgendwo über Brasilien erlebe ich den Sonnenaufgang und etwas später landet die Maschine ruckelnd auf dem Ezeiza Aeroporto- dem internationalen Flughafen von Buenos Aires. Nach vergeblichem Warten am Gepäckband begebe ich mich zum Schalter für vermisste Gepäckstücke und beschreibe das Aussehen einer meiner Radlertaschen. Inhalt: Diafilme, Zeltheringe, Kleidung, Werkzeug und spezielle Klickpedale.





Farbenfrohes La Boca in Buenos Aires

Der freundliche Taxifahrer gab sich alle Mühe, den sperrigen Karton mit meinem Rad in seinem Wagen zu verstauen und chauffierte mich durch ein Meer von Vororten, den Barrios, zu einer günstigen Unterkunft in San Telmo, im Herzen der Hauptstadt. Vier Tage habe ich auf mein fehlendes Gepäckstück zu warten. Ich vertreibe mir die Zeit mit Streifzügen zu Fuß, mit Bus und Metro durch die 6 Millionen Metropole. Doch die interessantesten Orte befinden sich bereits in meiner nahen Umgebung. Die Cafes und Bars, die Antiquitätenläden und Flohmärkte und nicht zuletzt der Strassentango in San Telmo. Ein paar Blocks entfernt beginnt La Boca mit seinen weltberühmten bunten Hausfassaden italienischer Emigranten und mittendrin die gewaltige „Schüssel“ , das Stadion des legendären Fußballclubs La Boca Juniors. T-Shirts mit dem Konterfei des Nationalhelden Diego Maradona auf Schritt und Tritt. Auch nicht weit das Microcentrum mit den Parlamentsgebäuden, leider sehr bald Schauplatz blutiger Unruhen.
Endlich bringt ein Kurier am frühen Morgen mein Gepäck ins Backpacker Hostel und somit kann es auch endlich losgehen! Nach der Warterei in dieser heißen, stickigen Stadt sehne ich mich nach Patagonien, dem einsamen, weiten Landstrich im Süden des Kontinents, mit dem ich bereits 1997 Bekanntschaft machte, allerdings meist auf chilenischer Seite. Mit Matthias, einem 22 jährigen Niederbayer, der sich im Hostel kurzerhand entschloss sich ein Fahrrad zuzulegen und mich ein Stück zu begleiten, bestiegen wir den Bus nach Bahia Blanca, eine südlich von Buenos Aires gelegene Stadt. Einfach erst mal raus aus diesem Moloch.
Wir radeln über endlose Pampa gen Süden und mit Überquerung des Flusses Colorado beginnt Patagonien. Meist campieren wir am Straßenrand, manchmal ohne Zelt unter freien Himmel unter einem Meer von Sternen, fast hell genug zum Zeitunglesen. Nach etwa 800 km trennen sich unsere Wege. Der noch etwas untrainierte Mattes benötigt dringend eine längere Erholungspause und zudem war er für patagonische Wetterverhältnisse ziemlich unterausgerüstet. Er suchte per Bus sein Glück im warmen Norden Argentiniens. Mein Weg führt auf endlosen Strassen weiter Richtung Süden. Bald erreiche ich die tierreiche Halbinsel Valdez am Atlantik. Von einer sicheren Klippe beobachte ich die nur wenige Meter entfernten mächtigen Seeelefantenbullen mit ihrem Harem und brüllende Seelöwen. Mit einem offenen Motorboot fahre ich raus in die Bucht. Wie zur Begrüßung springt ein ausgewachsener Buckelwal aus dem schäumenden Meer und zeigt seine Größe. Walkühe mit ihrem Nachwuchs nähern sich neugierig unserem Boot, ein unvergesslicher Tag! Ich erreiche die Stadt Trelew. Hier und in Dörfern der Umgebung ist die Wiege walliser Emigranten. Rote Ziegelsteinhäuser mit gepflegten Gärten wirken wie eine Oase in der rauen Umgebung. Noch heute backen liebe wallisische Omis Kuchen nach alten Rezepten und servieren ihn mit gutem Tee in ihren gemütlichen Teehäusern bis du platzt. In Punta Tombo, der Bucht mit Argentiniens größter Pinguinkolonie, schauen mir tausende putziger Magellanpinguine ins Objektiv. Pinguine, wohin man sieht, torkeln wie betrunkene Partygäste in ihrem Frack vor mein Rad. Irgendwo, weit südlich vom Erdölhafen Comodoro Rivadavia, nehme ich Kurs auf unbefestigten Pisten, von Ost nach West, auf die Anden. An manchen Tagen begegne ich nicht ein Fahrzeug. Irgendwo in der stürmischen Steppe verbringe ich meinen wohl einsamsten Geburtstag in einem verlassenen Haus eines Geisterortes mit dem Namen Laguna Grande. In Gesellschaft einiger Spinnen bereite ich mir auf meinem Benzinkocher leckere Pasta mit gutem Wein. Am folgenden Morgen eine kuriose Begegnung. Die Insassen eines Pannenfahrzeuges, ein junges Pärchen aus der Hauptstadt auf den Weg in den Süden, machen bei meinem Anblick beinahe Luftsprünge. Sie versichern mir, daß sie noch für mindestens 3 Tage genügend Wasser dabei haben und geben mir eine geschriebene Nachricht für den Pannendienst im nächsten Ort mit, der immerhin noch über 100 km entfernt ist. Mühsam stemme ich mich Tag für Tag gegen den Wind auf ohnehin schlechter Schotterpiste, garniert mit faustgroßen Steinen, bis endlich am Horizont, einem Haifischkiefer gleich, die Zacken der Kordillieren aufragen. Unter ihnen der berüchtigte Bergsteigermythos! Die stets vereisten senkrechten Zinnen der Fitz Roy Gruppe. Mit Rucksack wandere ich zu seinen Gletschern und Basislager und genieße die Schönheit der Landschaft. Weiter südlich stehe ich sprachlos und ehrfürchtig vor dem Gletscher Perito Moreno. In dieser Region gibt es viele Gletscher. Doch dieser ist einzigartig.



Unendliche Weiten: Ruta Tres in Patagonien

Er liegt 180 Meter unter und 90 Meter über dem Wasserspiegel des Lago Argentino. Eisberge so hoch wie Kathedralen! Seine Spalten schimmern wie mit blauer Tinte gefüllt im Sonnenlicht und dann und wann kracht ein großes Stück donnernd und zischend in die Fluten des Sees. Über endlose Piste nehme ich Kurs auf die chilenische Grenze. Zeltaufbau ist hier bei 120 km/h Böen oft unmöglich. Mal verbringe ich die Nächte ungemütlich in betonierten Regenausgleichsschächten unter der Strasse oder ich hab Glück und finde Aufnahme in einer abgelegenen Estanzia, den Farmen hier in Patagonien. Je rauher die Umgebung, desto herzlicher die Menschen. Diese Erfahrung machte ich schon bereits in anderen Regionen der Erde. In Puerto Natales, einem chilenischen Hafenstädtchen am Fuße der Kordilleren, treffe auf Petra aus Norderney.




Die bizarren Zinnen der Torres del Paine im Blickfekd






Ich lasse mein Rad in meiner Herberge zurück um gemeinsam mit ihr im Nationalpark Torres del Paine zu wandern, den ich bereits vor 4 Jahren schon einmal besuchte. Doch auch diesmal verschlägt es mir wieder die Sprache bei dem Anblick auf die 2500 m bizarr aufragenden Türme des Bergmassivs, zauberhaft umschlungen von mehreren türkis und smaragdgrünen Seen. 10 Tage haben wir für die Umrundung veranschlagt und entsprechend voll gepackt mit Proviant sind unsere Rucksäcke. Jedoch machen uns die patagonischen Wetterkapriolen mit 4 Jahreszeiten an einem einzigen Tag bald ein Strich durch die Rechnung. Das anfangs sonnige Wetter schlägt in heftigen Dauerregen um, der auf der Passhöhe als Schnee niedergeht und sie somit unpassierbar macht. Trotzdem steige ich soweit möglich auf die Höhe um den spektakulären Blick auf den gewaltigen Grey Gletscher zu erhaschen, der in den gleichnamigen, eisgrauen See mündet. Wie der Perito Moreno gehört dieser zum großen Inlandeis, der weltgrößten Eismasse außerhalb der Polarregion. Aus dieser hacke ich mir ein paar Brocken und schüttele sie in meiner Radlflasche zusammen mit etwas Puderzucker, Limonensaft und eigens dafür Hergeschleppten Flasche Pisco zu einem Cocktail, einem Pisco Sour, dem Nationalgetränk der Chilenen. Nach der achttägigen Wanderung trennen sich unsere Wege wieder und mit heftigen Rückensturm rausche ich über die Grenze zurück nach Argentinien zur Hafenstadt Rio Gallegos am Südatlantik, mein Zielpunkt in Patagonien. Von dort nehme ich einen Bus Richtung Norden und verlasse mit Wehmut dieses raue Land. Nach unzähligen Stunden in Überlandbussen treffe ich in Esquel, einem gemütliches Bergstädtchen in Patagoniens Nordwesten, ein. Ab hier radle ich gemeinsam mit Kristin aus Leipzig durch atemberaubend schöne Landschaften. Weite Nadelwälder, glasklare Seen vor schneebedeckter Bergkulisse und stets blühender Ginster und Lupinen am Wegesrand und vor allem wieder angenehme, sommerliche Temperaturen erinnern mich daran, dass ich ja auch zum Urlaub hierher gekommen bin. Wir treffen auf Bertil, einem Ranger, der in Zusammenarbeit mit den hiesigen Mapuche Indianern die Andenwälder wiederaufforstet. Zu meiner großen Überraschung kennt er Betzdorf gut aus seiner Zeit, als er im Forst des Grafen Hatzfeld in Wissen lernte. Vorbei an Fujijamagleichen gewaltigen Vulkanen überquere ich mit meiner Begleiterin die Anden um wieder auf chilenischer Seite den aktiven Vulkan Villarica zu besteigen. Ausgerüstet mit Steigeisen, Eispickel und Gasmasken erreichen wir nach mehrstündigen Aufstieg den rauchenden Schlund und genießen den spektakulären Ausblick vom Gipfel. Hinunter geht es übrigens auf dem Hosenboden. Den Eispickel vor der Brust haltend rasen wir mit unseren Synthetikhosen wie im Eiskanal, jauchzend, die weit herabreichenden Schneefelder hinunter.




Vom Kraterrand des Vulkans Villarica (Chile) ein Blich rüber zum Vulkan Llaima in Argentinien


Die folgenden Tage radeln wir entlang der Pazifikküste vorbei an malerischen Fischerdörfern bis zur Provinzhauptstadt Temuco. Das chilenische TV überträgt Live Sondersendungen aus Argentinien. Das Land ist im Ausnahmezustand! Bei blutigen Unruhen, insbesondere in Buenos Aires, sind 24 Menschen ums Leben gekommen, zahlreiche verletzt. Ein mulmiges Gefühl beschleicht uns. Denn dorthin müssen wir jetzt am Ende unserer Reise zurückkehren! Hier in Temuco treffe ich auch auf Martin Köhler aus Molzhain, seit Buenos Aires mit seinem verschifften Motorrad unterwegs. Fast wäre dieses Treffen wegen missverständlicher Koordination und fehlendem Internet daneben gegangen. Nach einer feuchtfröhlichen, gesprächsreichen Westerwälder Nacht in mehren Kneipen bestiegen Kristin und ich den Bus nach Santiago. Von dort weiter über die Grenze nach Mendoza und erreichen nach insgesamt 36 Stunden im Bus die argentinische Hauptstadt am Vorweihnachtsabend. Wir verbringen hier nur die Nacht und schiffen am folgenden Morgen für die Überfahrt nach Montevideo ein. In der reizvollen Hauptstadt Uruguays besinnen wir uns bei „winterlichen“ 40° + auf Weihnachten und verbringen die Zeit zwischen den Jahren an den La Plata Stränden bis wir zur Silvesterfeier wieder nach Buenos Aires zurückkehren. Es liegt eine Spannung in der Luft. Unübersehbar die Spuren der Verwüstung im Bankenviertel. Das Parlamentsgebäude ist mit Barrieren abgesperrt und zusätzlich geschützt durch ein Ring Sondereinsatzkräfte der Polizei. Wir steigen im gleichen Hostel in San Telmo ab, wie bei meiner Ankunft.

Hier ist die Notlage des Landes weniger spürbar. Nach wie vor wird hier der Tango auf den Plätzen getanzt. Tango, ein trauriger Gedanke den man tanzen kann, wie es heißt. Die Silvesternacht verläuft relativ ruhig in der Millionenmetropole. Die Menschen hier stehen vor einer ungewissen Zukunft. Schon allein während meines dreimonatigen Aufenthaltes hier erlebte ich 4 verschiedene Präsidenten oder waren es mehr?! Am Nachmittag des Neujahrstages sitze ich unter 60 argentinischen Blauhelmsoldaten im Flieger nach London. Vorbei ist meine nun 7. Radtour. Knapp 4500 zeigt mein Kilometerzähler. Wie jede Reise wird auch diese mir unvergesslich bleiben mit Eindrücken außergewöhnlicher Landschaften und den herzlichen Begegnungen mit seinen Bewohnern. Es wirkt wie ein kleiner Schock auf mich nach zuletzt langen warmen Sommertagen ins winterliche Deutschland mit seinen kurzen Tagen zurück zu kehren. Der Alltag hat mich wieder.





4.      1997 Südamerika: Chile, Bolivien, Argentinien

"Vamos - contra del viento!"

Vom Altiplano bis nach Feuerland


Routenverlauf: Altiplano ( Bolivien/ Chile)-Atacamawüste-Santiago-Wälder u. Seenregion-Chiloe-Caraterra Austral-Feuerland-Ushuaia ( Arg.)-Torres del Paine, ca. 4100 km
Vom Pazifikhafen Arica an der peruanischen Grenze radle ich auf das Altiplano. Dieses gewaltige Hochplateau erstreckt sich auf Nordchile und dem westlichen Bolivien. Einsame Bergdörfer, karge Vegetation, Salzseen und die höchsten Vulkane der Erde prägen die Landschaft. Auf Schritt und Tritt begegne ich allen Wild und Hausformen des Lamas. Weiter südlich durchquere ich die trockenste Wüste der Erde, die “Atacama” mit seinen riesigen Salzseen und reichem Flamingobestand. Nach kurzen Aufenthalten in Vina del Mar und der Hauptstadt Santiago radle ich durch die wilde Wald und Seenregion in Mittelchile mit weiteren zahlreichen Vulkanen. Über die Insel Chiloe und der berüchtigten Überlandstraße “Carretera Austral” durch endlosen, nasskalten Regenwald erreiche ich die südlichste Stadt der Welt, Ushuaia, gelegen auf dem argentinischen Teil Feuerlands. Anschließend wandere ich noch ca. 10 Tage im National Park “ Torres del Paine” in den südpatagonischen Anden mit seinen bizarren Bergzinnen und türkisblauen Seen.




Vom Glutofen der Atacama-Wüste....






...zum Dach Südamerikas, dem Altiplano....




....bis nach Ushuaia auf Feuerland - dem Ende der Welt - Fin del Mundo!